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Thietmar von Wichlo

Heimatgeschichtliche Erzählung aus der Zeit der Sachsenkrieger

Durch die klare Mondnacht in den Wäldern längst der Röhr scholl der dröhnende Hufschlag eines Pferdes. Thietmar, der Sachsenführer, raste auf schaumbedecktem Tiere von der Ruhr her ins Tal hinein. Wo das fahle Licht die dichten Baumkronen am Waldpfad durchbrach, sah man ein schreckhaft erregtes Gesicht unter dem Eisenhelm auftauchen. Vor dem Tore des Talhofs hielt der Reiter mit einem Ruck und schlug dreimal mit dem Speerschafft an die Bohlen des Eingangs. Laut ließ er den Kriegsruf hallen, bis drinnen der Wächter Antwort gab. „Sputet euch," rief Thietmar, „Frankenvolk zieht von den Höhen, und auch im Ruhrtal sah ich Waffen blinken. Greift zu den Waffen und eilt euch in den Ringwall“.

 

Weiter raste der Reiter in die Nacht hinein, an jedem Gehöft brüllte er die Schreckenskunde übers Tor.

 

Im ersten Morgengrauen kehrte er selbst über den Höhenweg von Arnsberg an seinem Gehöft vorbei zurück. Er sah, wie die Schar der Anwohner sich am Tor der Wallburg staute, angstvoll lärmte das Getümmel der Frauen und Kinder. Unweit des Müssenberges hatte man Vieh und Habe in schwer zugängliche Sümpfe gebracht, dennoch schleppte mancher schweren Vorrat mit sich.

 

Thietmar sah flüchtig seiner Verlobten Fricka ins Gesicht. „Das ist Christentugend“ rief er und deutete mit dem Speer gen Osten, wo die Flammen eines brennenden Gehöftes den Horizont röten. Er sah nicht mehr, wie Fricka, selbst dem Christentum zugetan, bei seinen Worten schmerzlich zusammenzuckte, denn der Strom der Flüchtlinge riss ihn zur Mitte hin. Dort stand auf erhöhtem Platz der greise Diethelm am Opferstein. Mit machtvoller Stimme gebot der Alte Ruhe, und still ward es im Ringwall.

 

Es galt ja der Götter Huld zu gewinnen, und Diethelm versah das hehre Amt. „Nur mühsam“, begann der Greis, „entrann ich den Franken, und drüben lodern die Flammen meines Gehöftes. Nicht brauchen wir also heute Notfeuer auf aufragenden Bergen. Christenhände entfachten das Feuer in unseren Gauen. Gegen Wotans Gewalt kämpft der weiße Gott der Christen, und machtvoll ist sein Aufgebot. Mit wilden Worten suchte Karl der Franke uns zu betören, kraftlos zu machen unseres Volkes Schwertarm.

 

Da erschlugen wir der fremden Priester, und nun dräut gewaffneter Heerzug der Franken in unsern Tälern. Erschlagen liegt Imma, die weise Drude, am Götterberg bei ihrem zerstörten Altar. Für der Väter Götter kämpfen wir, Wotan wird uns Sieg verleihen.“

 

Da schlug das Volk wild die Waffen zusammen und brüllte den Kriegsgesang in die Schilde. Feurig tauchte die Sonne am Horizont aus dem Nebeldunst auf. Da ließ Diethelm ein junges Ross herbeiführen und erstach das Tier über dem Steine. Hastig schöpften die Männer mit der hohlen Hand das warme Blut, das aus der Rinne floss, um den Opfertrank zu trinken. Die Menge verharrte in Schweigen, auf dem Ringwall dröhnte die Schritte der Wachen. Der Berg auf dem die Wallburg lag, fiel steil nach 3 Seiten hin ab.

 

Den Norden, wo die Senkung sanfter, waren die Wälle am höchsten. Eifriger spähten dort die Wächter, als Hufschlag vom Saumpfad her tönte. Doch einer der Ihrigen war's; „Hallo“ rief der mit lauter Stimme in den Wald hinein: „seid auf der Hut, denn nicht säumt mehr der Feind; Heeresvolk zieht durch das Tal, und im Wald klingen fränkische Waffen.“

 

Die Männer griffen zu Schild und Speer und eiten auf ihre Posten. Thietmar späte vom Südwall ins Tal. Drunten an der Lichtung sah man bewaffnete Frankenreiter halten.

Gero, der Anführer, hielt auf schwarzem Ross und deutete mit dem Schwert auf die Wallburg. Neben ihm ritt Baduard, der Franken Priester, den Thietmar vor kurzem vertrieben hatte. „mich dauert das Volk“, sprach Baduard „und ungern sah ich die Männer fallen auf blutiger Walstatt“.

 

Gero antwortete ihm mit finsterem Blick: „Ungern auch hörte ich dich sprechen, denn nur unser Kriegsschwert schützt dein Haupt. Lassen musstest du vor Thietmars Wut ja erst kürzlich die Gaue.“ Baduard entgegnete seufzend: „lieb ist mit Thietmar dennoch, und Fricka seine Braut, ist schon Christin.“

 

Gero schwieg und Ritt zu den Reihen der Franken. Leicht dünkte ihnen der Kampf um die Burg, denn nur 50 Sachsen beschützten die Wälle.

 

Geros Streitmacht, an 100 Krieger, ordnete sich zum Sturm. Sie hielten die Schilder aufs Haupt und liefen die Höhe hinan. Nach Möglichkeit wichen sie behände den herabrollenden Steinen aus; doch grimmig war der Empfang an den Wällen. Speere und Pfeile sausten herab und getroffen stürzten die Kühnsten. Die anderen flohen zurück und mancher noch viel auf der Flucht, zerschmettert von wuchtigen Steinen. Gero lachte bitter, umritt den Berg und gewahrte den sanfteren Abhang gen Norden. Dorthin führte er die tapfersten und ließ dann den Berg umzingeln. Drunten am Waldbach zimmerten die Frankenkrieger eilig ein Sturmdach, dann riefen Heerhörner zum Angriff. Der Hauptsturm kam von Norden her. Dort nahten die Franken hinter dichtem Sturmdach. Brandpfeile sandten sie auf die Walburg und hörten erfreut den Aufschrei des Volkes. Thietmar stand am Nordwall, neben ihm Bodo, sein Waffenmeister. „Ernst wird der Kampf,“ sprach Thietmar, „doch stärker ist Wodan, der Weltenbeherrscher, als der gleiche Gott der Christen.“ Bodo antwortete nicht mehr, ein Frankenpfeil war ihm in die treue Brust gefahren und stumm sank er hin. Thietmar warf nutzlos sein Beil auf das Sturmdach der Franken, und nahe am Wall schon standen die Feinde. Da riss er den Opferstein vom Altar und schleuderte ihn zornig mit Macht auf das Schutzdach. Die Balken brachen, das Schutzdach zerbarst, und laut hallte der Wehschrei der Franken. Jauchzend sprangen die Sachsen vom Wall, der Sieg war gewonnen, und vergebens trieb Gero die Seinen noch an. Thietmar bahnte sich mit Schild und Schwert einen Weg durch das Getümmel bis zu Baduard, dem Frankenpriester, der ahnungslos auf seinem Pferde hielt. Hochschwand Thietmar sein Schwert auf dem waffenlosen Priester, da stürzte sein Ross, getroffen von Geros Hand. Der Franken Graf schleuderte seinen Speer auf Thietmar, der sich eben vom Falle erhob. Baduard sah´s und warf sich dazwischen. Der Speer durchfuhr seon Herz und still sank er um auf den Rasen. Aufschrie Gero und stieß ins Heerhorn zum Rückzug. Wiederum flohen die Franken eilig den Abhang hinunter, verfolgt von den siegfrohen Sachsen.

 

Nicht weit vom Wall hielt Thietmar wacht beim sterbenden Franken Priester. Der Kampf kümmerte ihn nicht mehr und gleichgültig hörte er das Siegesgeschrei der Seinen. Durchs Röhrtal flohen geschlagen die Franken, verfolgt von den Sachsen. Thietmar bemühte sich nicht mehr, das rinnende Blut an Barduards Wunde zu stillen. Friede lag über den bleichen Gesichte des Toten. So hielt Thietmar allein die Totenwacht, bis Fricka nahte, erfreut, ihn zu finden. Als sie entsetzt den Toten gewahrte, flüsterte Thietmar ihr zu: „Sein Leben ließ er für mich. Stärker ist der Christengott als Wotan. Auch ich unterstelle mich dem Zwang seiner Liebe Macht.“

 

Die Sonne stieg höher und in den Tälern schwanden die Schatten der Nacht.

Geschrieben von Eduard Stakemeier, Professor zu Paderborn

erschienen im Heimatkalender für den Amtsbezirk Hüsten im Jahr 1930

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